Ermittlung der potentiellen Verdunstung

Die potentielle Verdunstung kann je nach Verfügbarkeit der notwendigen Eingangsdaten (s. Tabelle 2‑2) nach verschiedenen Verfahren ermittelt werden.

Die geringsten Anforderungen an die Datenbasis stellt das HAUDE-Verfahren (s. Schrödter 1985).

Die Kombinationsformel nach PENMAN liefert in der Regel exaktere Ergebnisse (s. Schrödter 1985), stellt aber auch wesentlich höhere Anforderungen an die Eingangsdaten.

Aufgrund der geringen Stationsdichte, der damit verbundenen geringen räumlichen Auflösung der benötigten Messdaten und den Unsicherheiten bei einer Flächenübertragung ist die Verwendung des PENMAN-Ansatzes nur für Gebiete zu empfehlen, für die repräsentative Messungen der notwendigen Eingangsdaten vorliegen.

Vor allem für Untersuchungsgebiete in der ehemaligen DDR wird auf Grund umfangreicher Untersuchungen die Nutzung von TURC/IVANOV empfohlen (Dyck 1978, Turc 1961, Wendling 1975, Wendling & Schellin 1986).

Tabelle 1‑2: Eingangsgrößen für die Berechnung der pot. Verdunstung:
Eingangsdaten Symbol Haude Turc / Ivanov Penman
Lufttemperatur T + * * *
Dampfdruck e *[1]   + *
Relative Feuchte RH *[1]   * +
Windgeschwindigkeit u       *
Windstärke Um       +
relat. Sonnenscheindauer n   +   +
Extraterrestrische Strahlung Ra   +   +
Globalstrahlung Rs   *   +
Strahlungsbilanz Rn       *
* notwendige bzw. bevorzugte Größe, + Ersatzgröße zur Berechnung der mit * gekennzeichneten Größe

Welche der im nachfolgenden beschriebenen Berechnungsverfahren genutzt werden soll, kann über das Schlüsselwort VERDUNSTUNGS_BERECHNUNG (s. Abbildung 3‑1) zwischen PENMAN (Kombinationsformel), TURC/IVANOV und HAUDE je nach Verfügbarkeit der notwendigen Eingangsdaten gewählt werden. Damit ist es möglich, verschiedene Berechnungsverfahren gegeneinander zu testen. Eine mögliche automatische Wahl der günstigsten Berechnungsmethodik in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Datenbasis erfolgt aus diesem Grunde nicht.

Berechnung der pot. Verdunstung nach HAUDE

Die pot. Verdunstung EP nach HAUDE (s. Schrödter 1985) wird ermittelt zu :

EP = f_haude * (Es - e)        (Gl.2‑5)

wobei Es der temperaturabhängige Sättigungsdampfdruck und e der Dampfdruck sind. Verwendet werden hier nicht die Tageswerte, sondern Terminwerte der 14 Uhr Messung. Über den Faktor f_haude (s. Tabelle 2‑3) erfolgt eine jahreszeitabhängige Korrektur.

Tabelle 1‑3: Faktoren zur Berechnung der meteorologischen Modellwerte:
  Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
f2 0,59 0,62 0,63 0,63 0,63 0,61 0,60 0,60 0,60 0,59 0,53 0,56
f_haude 0,22 0,22 0,22 0,29 0,29 0,28 0,26 0,25 0,23 0,22 0,22 0,22
COR1 0,70 0,85 0,95 1,05 1,25 1,15 1,05 0,95 0,90 0,80 0,75 0,70
COR 1,22 1,23 1,19 1,10 1,05 1,05 1,05 1,05 1,05 1,05 1,05 1,18
f2 nach Schönermark (1973), COR1 nach Glugla (1989)

Berechnung der pot. Verdunstung nach TURC/IVANOV

Die pot. Verdunstung EP nach TURC wird unter Vernachlässigung des Korrekturgliedes zur Berücksichtigung der Luftfeuchte (s. Dyck 1980) ermittelt zu :

EP = a * (Rs + b) * T / (T + 15)        (Gl.2‑6)

mit a = 0.4000 und b = 50.00 für DT = 1 mon und Rs in [cal/(m2*d)]

mit a = 0.0268 und b = 24.00 für DT = 1 Tag und Rs in [W/m2]

mit a = 0.0031 und b = 209.4 für DT = 1 Tag und Rs in [J/(cm2*d)][2]

Zur Korrektur auf mitteleuropäische Verhältnisse (eigentlich DDR) werden die von Glugla 1989 verwendeten monatsabhängige Faktoren COR1 (s. Tabelle 2‑3) übernommen.

EP = COR1 * EP            (Gl.2‑7)

Diese Beziehung wird für niedrige Lufttemperaturen T zunehmend ungenau. Deshalb wird für T < 5°C der folgende Ansatz nach IVANOV (modifiziert nach Wendling 1986) verwendet:

EP = 0.000036 * (25 + T)2 * (100 - RH)          (Gl.2‑8)

mit RH als relative Luftfeuchte in Prozent.

Berechnung der pot. Verdunstung nach PENMAN

Die modifizierte Kombinationsformel nach PENMAN ist physikalisch determiniert, international weit verbreitet in ihrer Anwendung, von Schrödter (1985) ausführlich beschrieben und von der FAO (1990) zur Anwendung empfohlen. Sie lautet:

EP = EsK * Rn + (1 - EsK) * (Es - e) * f(u)            (Gl.2‑9)

mit

EsK = s / (s + gam)              (Gl.2‑10)

wobei s die Steigung der Kurve des Sättigungsdampfdrucks Es bei Lufttemperatur T, gam=0.66 die Psychrometerkonstante in [mbar/K] und e der Dampfdruck in [mbar] ist. Der Gültigkeitsbereich dieser Beziehung beschränkt sich auf Ortshöhen bis max. 500 m ü. NN.

Der Sättigungsdampfdruck kann vereinfacht aus der folgenden Beziehung ermittelt werden:

Es = 6.1078 * ea*T/(b + T)                (Gl.2‑11)

wobei a=17.269 und b=237.3 für den Sättigungsdampfdruck über Wasser und a=25.824 und b=265.5 für den Sättigungsdampfdruck über Eis angesetzt werden.

Ist der Dampfdruck e nicht gegeben, so kann er in guter Näherung aus der relativen Luftfeuchte bestimmt werden:

e = RH * Es                    (Gl.2‑12)

Rn ist die Strahlungsbilanz. Liegt sie nicht als Messwert vor, kann sie berechnet werden und ergibt sich zu:

Rn = Rns - Rnl                  (Gl.2‑13)

Dabei ist Rns der kurzwellige Anteil, der sich aus Albedo al und Globalstrahlung Rs ergibt zu:

Rns = (1 - al) * Rs                (Gl.2‑14)

Das Albedo kann für vegetationsbedeckte Standorte mit al=0.25 und für Wasserflächen mit al=0.05 als hinreichend genau angesehen werden (Schrödter 1985).

Der langwellige Anteil Rnl berechnet sich zu

Rnl = f(T) * f(e) * f(n/N)                (Gl.2‑15)

mit

f(T) = 1.98 * 10-9 * (273 + T)4              (Gl.2‑16)

f(e) = 0.34 - 0.044 * √e            (Gl.2‑17)

f(n/N) = 0.1 + 0.9 * SDR             (Gl.2‑18)

Die Strahlungsgrößen gehen als Verdunstungsäquivalente[3]in [mm], die Temperatur in [°C], der Dampfdruck e in [mbar] und die relative Sonnenscheindauer (s. Kapitel 2.1) in [h/Tag] ein.

Für die Windfunktion f(u) kann

f(u) = 0.27 * (1 + uw/100) = 0.27 + 0.2333 * u             (Gl.2‑19)

angesetzt werden, wobei uw der in 2 m Höhe gemessene Windweg [km/Tag] und u die in 2 m Höhe gemessene Windgeschwindigkeit in [m/s] als Mittelwert des Berechnungszeitschrittes (Tag) ist.

Doorenbos & Pruitt (1977) entwickelten auf der Basis umfangreicher Vergleichsuntersuchungen in unterschiedlichen geographischen Regionen einen Korrekturfaktor c, der eine weltweite Anwendung der PENMANschen Formel erlaubt. Nach Vereinfachungen durch Schrödter (1985) ergibt er sich zu

c = 0.79 - 0.034 * Um + 0.028 * Rs           (Gl.2‑20)

mit Um als Tagesmittel der Windstärke in [Beaufort], die aus der Windgeschwindigkeit für u > 0.2 m/s in guter Näherung geschätzt werden kann mit

Um = 0.9 + 1.27 * (u - 0.2)0.7            (Gl.2‑21)

Damit ergibt sich die potentielle Verdunstung zu

EPT = c * EP            (Gl.2‑22)

Literatur

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[1]Wert der Messung um 14 Uhr

[2]1 W = 1 J/s = 0.2388 cal/s und 1 W/m2 = 3.6 kJ/(m2 * h) = 0.36 J/(cm2 * h) = 8.64 J/(cm2 * d)

[3]1 mm = 1 Liter / m2 = 245 J/cm2